Kommentare und Gedanken zum Entwurf von EN 1090-1:2018-12

Dieser Entwurf ist längst überfällig, weil durch die Verordnung EU 305/2011 seit dem 01.07.2013 die alten Konformitätsregeln nicht mehr galten, die Norm aber weiterhin anzuwenden war. Das schaffte große Unsicherheit und auch unterschiedliche Standpunkte zur CE-Kennzeichnung. Besonders erfreulich ist, dass die Deklarationsverfahren nun endlich Geschichte geworden sind. Für die Einen waren diese fast wie ein Evangelium, für die Anderen nur Beispiele für eine mögliche Deklaration der Produkteigenschaften.

Positiv ist am Entwurf, dass dieser nur noch den halben Umfang hat. Von ehemals 45 Seiten sind es aktuell 22 Seiten. Wesentlich umfangreicher ist der erste Punkt, der Anwendungsbereich. Dieser macht sehr deutlich, dass die Bauprodukte ausschließlich Einfluss auf die mechanische Festigkeit und Standsicherheit eines Bauwerkes haben müssen und man listet 44 (Bau-) Produkte auf, die diese Anforderung nicht erfüllen. Das ist auf der einen Seite gut und schafft ein wenig mehr Klarheit, wobei damit auch der nationale Anhang von DIN EN 1993-1-1/NA:2017-09 anzupassen ist.

Gleichzeitig fragt man sich, was passiert denn jetzt, z.B. mit den Geländern oder Balustraden und den Ankerplatten? Viele, insbesondere kleine Unternehmen, leben von der Flexibilität ihrer Fertigung. Neben der einfachen Stütze oder dem Träger für ein Bauwerk, werden Elemente gefertigt, die die Grundanforderung für Bauwerke 4 – Sicherheit und Zugänglichkeit bei der Nutzung- betreffen. Eine zusätzliche Norm und eine zusätzliche Zertifizierung schaffen nur Frustration bei den kleinen Unternehmen, zumal die Anforderungen für eine Herstellung ziemlich ähnlich sein dürften. Auch wenn ich selbst wenig Chancen sehe, hier noch das Ruder herum zu reißen, möchte ich nicht versäumen, den Wunsch zu äußern, den Anwendungsbereich (Scope) der EN 1090-1 neben der Grundanforderung 1 – mechanische Widerstandskraft und Stabilität – um die Grundanforderung 4 – Sicherheit und Zugänglichkeit bei der Nutzung – zu erweitern.

Ein weiterer wesentlicher Unterschied zur alten EN 1090-1 ist, dass die maßgeblichen Merkmale wesentlich weniger wurden. Hinzu gekommen ist die (Bestätigung der) Ausführungsklasse. Entfallen sind Schweißeignung, Bruchzähigkeit oder Schlagfestigkeit, die Ermüdungsfestigkeit und die Verformung im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit, sowie die Freisetzung von Cadmium und dessen Verbindungen und die Freisetzung radioaktiver Strahlung. Letztere beiden wurden sowieso mit NPD (no performance determined) deklariert.

Eine recht auffällige Abkürzung in dem Entwurf ist

AVCP – Assessment and Verification of Constancy Performance

zu Deutsch:

Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit.

Nach dem Anhang ZA.1 sind die „Wesentlichen Merkmale“ nun:

  • Werkstoffeigenschaften der Ausgangsprodukte

Die verwendeten Ausgangsprodukte müssen mit den Anforderungen verglichen und die Erfüllung der Anforderungen bestätigt werden. Bezieht man diese Forderung zum Beispiel auf Bleche oder Formstähle, so gilt es die Anforderungen aus der statischen Berechnung oder der Kundenforderung mit den mitgelieferten Dokumenten, wie z.B. der Materialbescheinigung zu prüfen und die Erfüllung zu bestätigen. Da der Ausdruck „Ausgangsprodukte“ alle möglichen Komponenten umfasst, sind auch Prüfberichte, Prüfbescheinigungen und Konformitäts- oder Leistungserklärungen adäquate Mittel, die Erfüllung der Anforderungen zu dokumentieren und in der Leistungserklärung zu bestätigen. In der zu erstellenden Leistungserklärung sind zwei Optionen dargestellt:

  • Option 1: Übereinstimmung mit Werkstoffnorm (z.B. Materialprüfzeugnis)
  • Option 2: Übereinstimmung mit Spezifikation
  • Ausführungsklassen

Es muss überprüft und bestätigt werden, dass die Ausführungsklasse des Herstellers oder (Unter-) Lieferanten, der geforderten Ausführungsklasse entspricht bzw. einschließt. Die Ausführungsklasse muss zu Beginn der Arbeiten festgelegt sein. Dies kann durch die statische Berechnung oder durch den Auftraggeber erfolgen.

  • Maße, Form und Toleranzen

Die Einhaltung von Maßen, Formen und Toleranzen dient der Sicherung der Standsicherheit. Das bedeutet, dass die in der statischen Berechnung oder der Kundenspezifikation gemachten Vorgaben auf deren Einhaltung geprüft werden müssen und die Einhaltung bestätigt werden muss. Für die Ausführung von Stahltragwerken sind hierzu 37 Seiten im Anhang B der neuen DIN EN 1090-2:2018-09 enthalten.

  • Tragfähigkeit

Unter Abschnitt 5.4 wird eindeutig klargestellt, dass die Tragfähigkeit von Bauteilen aus Stahl- oder Aluminium, auf der Berechnung nach Eurocode beruht. Demzufolge kann in der Leistungserklärung entweder auf die verwendete statische Berechnung verwiesen werden oder es werden charakteristische (Widerstands-) Werte der Tragfähigkeit angegeben.

  • Dauerhaftigkeit der Tragfähigkeit

Die Dauerhaftigkeit der Tragfähigkeit meint den Korrosionsschutz. Ob verzinkt, thermisch gespritzte metallische Schicht oder organische Beschichtung, alles ist ggf. in der Leistungserklärung zu bestätigen. Unter dem Punkt können auch der verwendete Werkstoff bzw. seine Eigenschaften bezüglich der Dauerhaftigkeit (nichtrostender oder wetterfester Stahl) oder eine Spezifikation genannt sein.

  • Brandverhalten

Das Brandverhalten von Bauteilen aus Stahl, nichtrostenden und wetterfesten oder verzinktem Stahl, sowie Aluminium und eloxiertem Aluminium entspricht der Klasse A1. Bauteile mit organischen Beschichtungen müssen nach EN 13501 geprüft und eingestuft werden.

Neu, weil jetzt im Teil 4 und 5 erfasst, sind die profilierten Bleche (z.B. Trapezbleche) mit Polyester-Beschichtung. Sie werden als separater Punkt behandelt, aber sind doch Bestandteil des Merkmales Brandverhalten. Hinzu kommt die Unterscheidung, ob das Feuer von innen (5.6) oder von außen (5.7) wirkt.

Bevor der Hersteller die wesentlichen Merkmale in seiner Leistungserklärung (DoP – Declaration of Performance) erklären darf, muss er mittels

  • Bestimmung des Produkttyps und
  • einer werkseigenen Produktionskontrolle (WPK)

den Nachweis für die „Wesentlichen Merkmale“ erbringen. Der Hersteller muss die Oberaufsicht haben und er trägt die Gesamtverantwortung, auch für Produkte die z.B. CE-Kennzeichnung tragen.

Neu ist, dass der Begriff Erstprüfung durch die Typprüfung ersetzt wird. Damit wird auch deutlich, dass die Auffassung mancher Prüfinstitute, sie seien gefordert diese Erstprüfung durchzuführen, widerlegt ist.

Die Typprüfung beinhaltet eine ausführliche Bewertung der wesentlichen Merkmale. Diese Prüfungen sind in einem Prüfbericht zu dokumentieren und für die Dauer von mindestens 10 Jahren aufzubewahren. Sind die Ergebnisse der Typprüfung ausreichend, so kann der Hersteller künftige gleichartige, zu Familien zusammengefasste Produkte herstellen, wenn er die Werkseigene Produktionskontrolle durchführt und damit eine gleichbleibende Produktqualität sicherstellt.

Die Werkseigene Produktionskontrolle (WPK) ist ein dokumentiertes System, welches sicherstellen soll, dass die bei der Typprüfung festgestellten „Wesentlichen Merkmale“ erreicht werden.

Hierzu hat der Hersteller:

  • die angewendeten Herstellungsverfahren oder –prozesse sowie
  • die regelmäßigen Inspektionen und Prüfungen;
  • mit den verwendeten Ausgangsprodukten und anderen zugelieferten Materialien oder Bauteilen

in schriftlicher Form und in systematischer Weise zu dokumentieren.

Zwar steht nirgends der Begriff Handbuch, aber wie sonst sollte die Forderung nach „in schriftlicher Form und in systematischer Weise“ erfüllt werden können.

Im Weiteren wird gefordert:

  • Aufgaben und Verantwortungen müssen festgelegt und dokumentiert sein;
  • Nachweis der Fachkompetenz von Personen, die die Leistungsbeständigkeit des/der Produkte(s) beeinflussen;
  • Verfahren und Vorgehensweise bei Nichterfüllung der Leistungsbeständigkeit (Nichtkonformität und Korrekturmaßnahmen);
  • Aufzeichnungen über den Herstellungsprozess sowie die Ergebnisse der Überprüfungen und Prüfungen am Produkt; hierzu zählt auch:
    • Wiege-, Mess- und Prüfeinrichtungen müssen kalibriert und geeignet sein;
    • Maschinen und sonstige Fertigungseinrichtungen müssen regelmäßig überprüft und gewartet werden;
    • Ausgangsprodukte müssen entsprechende Zeugnisse oder Dokumente aufweisen;
    • die Rückverfolgbarkeit der einzelnen Produkte und Dokumente muss sichergestellt sein;
    • Kontrollen und Prüfungen müssen dokumentiert sein.

Bei der Untervergabe von Teilen- oder auch der gesamten Herstellung, ist der Hersteller (früher auch als Inverkehrbringer gezeichnet) für die Gesamtkontrolle zur Erfüllung der „Wesentlichen Merkmale“ nach der DIN EN 1090-1 verantwortlich. Ergebnisse der „Werkseigenen Produktionskontrolle“ durch den Subunternehmer dürfen berücksichtigt werden, wobei die Gesamtprüfung und die Verantwortlichkeit nicht auf den Subunternehmer übertragen werden darf.

Der Begriff „Nicht-Gleichmäßigkeit“ im Abschnitt 6.3.2.1 ist als Übersetzung vom englischen Begriff „constancy“ nicht sonderlich gut geeignet. Man kann den Begriff auch mit Beständigkeit übersetzen, daher wäre mein Vorschlag, den Begriff der „Leistungsbeständigkeit“ oder in Fällen der „Nicht-Leistungsbeständigkeit“ zu übersetzen, was dem inhaltlichen Sinn des Textes entsprechen würde.

Aufgaben der Zertifizierungsstelle bleiben, wie gehabt:

  • die Erstinspektion des Werks und der Werkseigenen Produktionskontrolle, sowie
  • die laufende Überwachung der Werkseigenen Produktionskontrolle.

Im Gegensatz zur ersten DIN EN 1090-1, wo es im Rahmen der Erstinspektion lediglich das System der „Werkseigenen Produktionskontrolle“ zu prüfen galt, steht nunmehr die praktische Anwendung der WPK im Pflichtenheft für die Zertifizierungsstelle. Die laufende Überwachung beinhaltet die Überprüfung der Produktionseinrichtungen und der Auszeichnungen während des Produktionsprozesses und der Prüfungen an den Endprodukten.

Dem Ausdruck „Übliche Überwachungsintervalle“ ist der Begriff „Routinemäßige Überwachungsintervalle“ gefolgt. Die Zeiträume sind unverändert. Änderungen am Produkt, am Produktionsprozess oder im System der WPK sind der Zertifizierungsstelle mitzuteilen, die ggf. eine erneute Inspektion durchführen muss. Allerdings entfällt die bislang geforderte jährliche Bestätigung durch den Hersteller, sofern keine routinemäßige Inspektion durchgeführt wird.

Fazit

Die neue DIN EN 1090-1 ist nicht nur schlanker geworden, sondern sie passt sich den rechtlichen Rahmenbedingungen durch die Verordnung EU 305/2011 an. Insbesondere der Prozess Schweißen hat keinen Sonderstatus mehr. Weder in der Leistungserklärung, noch bei der Erstinspektion oder im zusätzlich geforderten Schweißzertifikat, ist dieser wichtige Prozess zu finden. Jedoch sollte man bedenken, dass gerade in Deutschland eine große Nachfrage seitens potenzieller Auftraggeber besteht, die Kompetenz in Sachen Schweißen erkennen zu können. Es wird somit eine künftige Herausforderung der Zertifizierungsstellen, die Fachkompetenz im Sinne der Hersteller zu bestätigen. Und diese Bestätigung sollte nicht dem Zufall überlassen werden, sondern auf dem Nachweis der Kompetenz, nämlich der Akkreditierung einer Zertifizierungsstelle, z.B. nach der ISO 3834, beruhen.

Welche Änderungen bringt die neue DIN EN 1090-2:2018-09

Normen werden regelmäßig alle vier Jahre einer Kontrolle unterzogen, ob sie noch den Stand der Technik wiedergeben. Die DIN EN 1090-2 mit der Änderung A1 stammt aus dem Jahr 2011. Es war also an der Zeit, zumal es auch einige Gründe gab, diese Norm anzupassen. Dabei spielt nicht so sehr der Stand der Technik den ausschlaggebenden Faktor, sondern das europäische Recht. Da diese Norm ein Bestandteil der europäischen Harmonisierung im Bereich der Bauprodukte ist, musste die Überarbeitung der aktuellen Rechtslage angepasst werden. Hier liegen auch die wesentlichen Änderungen begründet. Rein quantitativ betrachtet, hat die neue Norm mit 214 Seiten nur sechs Seiten mehr und kann beim Beuth Verlag für 334,30 Euro von jedem erworben werden. Günstiger bekommt man diese wichtige Norm in Taschenbüchern, die allerdings erst in Kürze verfügbar sein werden. Und wer meint, dass diese eine Norm ausreicht, um Tragwerke und Bausätze aus Stahl fertigen zu können, wird enttäuscht, denn einige wichtige Informationen sind nur in weiteren Normen, wie z.B. der Berechnungsnorm DIN EN 1993 (Eurocode 3) zu finden.

Die erste wichtige Änderung betrifft die Bestimmung der Ausführungsklassen. War dies bislang im Anhang B der DIN EN 1090-2 mit den Tabellen zur Beanspruchungskategorie (SC) und Herstellungskategorie (PC) sowie der Tabelle B.3 mit der Matrix für die Bestimmung der Ausführungsklassen (EXC) geregelt, muss man nun in den Anhang C der Berechnungsnorm DIN EN 1993-1-1/A1:2014-07 schauen. Die dortige Tabelle C.1 –ist neu, jedenfalls wenn es um die Auswahl der Ausführungsklassen (EXC) geht.

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Unter der Anmerkung 1 steht, dass jedes europäische Mitgliedsland im nationalen Anhang festlegen darf, ob dieses nach der Zuverlässigkeitsklasse (RC) oder Schadensfolgeklasse (CC) oder beiden die Ausführungsklassen bestimmt. Also braucht man den nationalen Anhang, die DIN EN 1993-1-1/NA:2017-09 und findet dort, dass Deutschland nach den Schadensfolgeklassen und der Konstruktionsart die Ausführungsklassen festlegt. Hier findet man dann auch die Auflistung, was in die Ausführungsklassen (EXC) 1 bis 4 fällt. Diese Liste ist allerdings nicht neu und darum ist die Änderung in der DIN EN 1090-2 nicht gravierend, aber der Weg zur Liste ist neu und unter rechtlichen Gesichtspunkten nun auch eindeutig. An dieser Stelle sei auch der Hinweis erlaubt, dass in der genannten DIN EN 1993-1-1:2014-07 unter Anmerkung 2 steht, dass in DIN EN 1090-2 festgelegt wird, dass die Ausführungsklasse 2 gilt, wenn keine Ausführungsklasse vorgegeben wird. Dieser Satz ist aber in der neuen DIN EN 1090-2:2018-09 nicht mehr enthalten und führt somit in Leere.

Eine weitere wesentliche Neuerung ist, dass dünnwandige Konstruktionselemente, wie Trapezbleche oder aus gekanteten Blechen hergestellte tragende Bauprodukte einen eigenen und ebenfalls neuen Teil der DIN EN 1090 erhalten haben. Daher ist zeitgleich mit der neuen DIN EN 1090-2 auch die DIN EN 1090-4 veröffentlicht worden. Entsprechend entfallen die im alten Teil 2 enthaltenen Kapitel, wie z.B. 8.8 Befestigung dünnwandiger Bauteile, komplett.

Ebenfalls neu ist, dass die DIN EN 1090-2:2018-09 nun auch für das Schweißen von Betonstählen an Baustähle gilt. Bis dato galt hier die DIN EN ISO 17660, die auch weiterhin für Verbindungen zwischen Betonstählen gilt. Diese Neuerung dürfte alle die freuen, die bislang bei entsprechenden Anfragen, meist von Betonteilherstellern für Ankerplatten, ablehnen mussten. Nichts desto trotz, müssen die in der DIN EN ISO 17660 beschriebenen Anforderungen bei derartigen Verbindungen berücksichtigt werden.

An einigen Stellen werden die alten Begriffe durch andere ersetzt. So heißen die Konstruktionsmaterialien nun Ausgangsprodukte. Auch die Tabelle 1 mit den Prüfbescheinigungen birgt eher wenig Neues. Bei den Baustählen kann für den S235J2 auf das 3.1 Zeugnis verzichtet werden. Und bei den Schraubengarnituren unterscheidet man jetzt die HV-Schraube mit einem 3.1 und die normale Stahlbauschraube mit einem 2.2 Zeugnis. Neu ist auch das recht umfangreiche Kapitel 5.4 zum Thema Stahlguss.

Zwei wichtige technische Veränderungen sind zu den Themen Schneiden und Warmumformung enthalten. Zum einen werden die als kritisch betrachteten Verhältnisse für thermische Schnitte deutlicher als bisher beschrieben. So heißt es nun in der neuen Fassung: „Bei einigen Schneidverfahren sollten Vorkehrungen getroffen werden, wenn die Schnittkanten freie Schnittkanten (d.h. Kanten, die anschließend nicht verschweißt werden sollen) für ermüdungsbeanspruchte Bauteile sind.“ Zudem heißt es weiter: „Bei Baustählen ≥ S460 darf die Härte freier Schnittkanten nicht mehr als 450 (HV10) betragen. Damit sollte nun klar sein, dass die Forderung erstens für ermüdungsbeanspruchte Bauteile und nur für freie Schnittkanten gilt. Zudem muss ein Nachweis erst ab S460 geführt werden, weil es darunter nun keine Anforderungen gibt. Zu erwähnen sei noch, dass bei freien Schnittkanten, aus korrosionsschutztechnischer Sicht zur Vorbereitung für das Beschichten nach ISO 8501 das Beschleifen und somit eine Reduzierung der Härte erforderlich macht. Damit ist die, aus meiner Sicht, unbegründete Forderung eines Nachweises bei „normalen“ unlegierten Baustählen bis einschl. S355 vom Tisch. Wer Hilfestellungen bei der Überprüfung thermischer Schneidprozesse sucht, wird beim Anhang D fündig.

Stähle nach EN 10025-4 und der Lieferzustand +M nach EN 10025-2 sowie nichtrostende Stähle sind vom Warmformgeben ausgeschlossen. Hierzu sei angemerkt, dass schon in der DIN EN 10025-2 für den Lieferzustand +M ein nachträgliches Erwärmen über 580°C als äußerst kritisch dargestellt wird. Da drängt sich schon mal die Frage auf, warum in einer Norm für schweißgeeignete unlegierte Stähle eine Sorte auftaucht, die man möglichst nicht über 580°C erwärmen soll. Zudem erscheint sehr fragwürdig, wieso das Legierungselement Kupfer (Cu) in einer solchen Norm für unlegierte Baustähle die Grenze der nach DIN EN 10020 zulässigen Höchstmenge deutlich überschreiten darf. Aber das ist ein anderes Thema.

Die meisten Änderungen, wen wundert es, gibt es beim Thema Schweißen.

Zunächst einmal werden die Schweißprozesse nicht mehr einzeln aufgeführt, sondern nur noch auf die EN ISO 4063 verwiesen. Damit sind alle bekannten Schweißprozesse nun für die Herstellung von Stahltragwerken zulässig. Damit wäre jetzt auch das Gasschweißen mit Acetylen-Sauerstoff-Flamme (311) wieder zugelassen.

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Bei der Qualifizierung von Schweißverfahren wird die neue EN ISO 15614-1 berücksichtigt. Allerding nur Stufe 2, wobei nach meiner Meinung im Bereich der EXC2 auch eine Stufe 1 möglich gewesen wäre. Ansonsten ist die Tabelle prinzipiell gleich geblieben, auch wenn der Hinweis bei den Methoden nach EN ISO 15610 bis EN ISO 15612 mit den Indizes a und b entfällt. Die Einschränkung auf die Werkstoffgruppe 1.1 (≤ S275) findet sich in der EN ISO 15610 und bedarf daher nicht des Hinweises mit einem Index.

Ein weiteres Highlight ist bei der sogenannten Kreuzzugprobe zu finden. War diese Probe bislang oberhalb des S275 gefordert, so ist diese jetzt erst bei Stahlsorten ≥ S460 erforderlich. Eine solche Kreuzzugprobe macht, nach meiner Einschätzung, sowieso nur bei hochfesten Stählen oder Feinkornbaustählen wirklich Sinn.

Die wohl gravierendste Änderung findet in der Bewertung von Schweißnähten statt. Die bislang recht einfache und übersichtliche Bewertung von Schweißnahtunregelmäßigkeiten ist in ein recht komplexes System für die Abnahmekriterien mit „Routineanforderungen“ und „Anforderungen bezüglich Ermüdung“ sowie einer zusätzlichen „Projektspezifischen Inspektion und Prüfung“ übergegangen. Nachvollziehbar ist die Betrachtung der Kerbfälle für ermüdungsbeanspruchte Bauteile. Die Tabelle 24 für die ergänzende zerstörungsfreie Prüfung (ZfP) wurde diesbezüglich überarbeitet.

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Hier fällt spontan auf, dass in dieser Tabelle erstmals die Ausführungsklasse EXC1 auftaucht. Und dann steht überall 0%. Nur ein Index b verweist auf eine ergänzende ZfP für Stähle ≥ S420. Zumindest im deutschen nationalen Anhang zur EN 1993-1-1 gilt die Ausführungsklasse EXC1 nur für Werkstoffe bis einschl. S275, d.h. für Deutschland ist diese Spalte nicht relevant.

Positiv ist auch, dass für Kehlnähte in der EXC2 erst ab a>12mm und t> 30 mm jetzt mehr Luft nach oben ist. Das spart viele Eindringprüfungen, gerade bei kleinen Betrieben.

Ein riesiges Problem ist jedoch die erste Spalte für die Stumpfstöße. War bislang noch der Ausnutzungsgrad (U ≥ 0,5) als Kriterium zu überschreiten, gilt die neue Tabelle für alle Stumpfnähte. D.h. alle Stumpfnähte in der EXC2 wären, unabhängig von ihrer Ausnutzung, mit 10% zu prüfen. Und dies, nach EN ISO 17635, mittels Ultraschallprüfung oder Röntgenprüfung. Diese Prüftechnik hat so gut wie kein klein-und mittelständiger Betrieb zur Verfügung. Die Kosten dieser Forderung dürften extrem sein.

Aber da hilft ja vielleicht die neue „Projektbezogene Inspektion und Prüfung“, bei der in EXC1, EXC2 und EXC3 Anforderungen an die Prüfung benannt werden dürfen. In der EXC 4 müssen diese sogar benannt werden. Hierzu gibt es Schweißnahtklassen (WIC = weld inspection classes), die die Kritikalität der Schweißnaht berücksichtigen soll. Im Anhang L sind die Kriterien in zwei Tabellen aufgeführt. Ein durchgeführter Selbstversuch hat aber kein positives Ergebnis gebracht, so dass dieser Weg wohl eher eine Sackgasse scheint.

Zum Schluss kann man sicherlich sagen, dass es eine Vielzahl von Änderungen gibt. Einige sind eher klein, weil sich nur die Begriffe ändern, andere sind groß. Jeder, insbesondere all diejenigen, die Spezialisten auf ihrem Gebiet sind, werden die Änderungen unterschiedlich bewerten.

In einem selbst erstellten Ranking gewinnen die Vorteile gegenüber der alten Ausgabe mit 7 zu 5 Punkten. Das freut zwar, aber der Blick auf die Tabelle 24 trübt diese Freude ungemein. Es besteht ein wenig Hoffnung, dass es vielleicht schnell eine Änderung A1 gibt oder jemand einen Weg findet, dieses Dilemma aus der Welt zu schaffen. Ansonsten wird in 4 Jahren diese Norm erneut auf den Prüfstand gestellt. Auf jeden Fall bleibt es weiter spannend.

INFOBRIEF: Neue DIN EN 1090-2:2018-09

Neue DIN EN 1090-2:2018-09

Normen unterliegen einer stetigen Veränderung. Wird auf eine Norm verwiesen, ohne dass ihr Ausgabedatum genannt wird, ersetzt eine neue Ausgabe automatisch die alte Ausgabe. Mit dem Datum September 2018 ist die überarbeitete DIN EN 1090-2 für die Ausführung von Stahltragwerken erschienen. Da die DIN EN 1090-2 im europäisch harmonisierten Teil 1 nicht datiert ist, gilt die neue Ausgabe quasi sofort als verbindlich anzuwenden.

Die ganz wesentlichen Veränderungen sind:

  • Die Regeln zur Verarbeitung nichtrostender Stähle wurde wesentlich ausführlicher behandelt, so dass Deutschland zukünftig auf die Anwendung des Zulassungsbescheides verzichten kann (muss).
  • Neue Regelungen erlauben zukünftig die Verbindung von Betonstählen mit Baustählen. Die Verbindung von Betonstahl mit Betonstahl bleibt der DIN EN ISO 17660 überlassen.
  • Der Anhang B mit den Tabellen (Herstellungs- und Beanspruchungskategorie) zur Bestimmung der Ausführungsklassen entfällt. Es gilt künftig die im Anhang C der DIN EN 1993-1-1 (Eurocode 3) beschriebene Regelung.
  • Die Kreuzzugprobe nach DIN EN ISO 9018 wird jetzt erst ab S460 gefordert.
  • Die ergänzende zerstörungsfreie Prüfung an Kehlnähten ist nunmehr erst ab einer Blechdicke von mehr als 30 mm gefordert, das a-Maß größer 12 mm bleibt.
  • Für Stumpfnähte in der EXC2 gilt nun generell, dass diese min. 10% zu prüfen sind.
  • Für dünnwandige tragende Bauteile gilt nun die DIN EN 1090-4. Hier drunter sind Trapezbleche, die eine aussteifende Wirkung wie Verbände haben und Wechsel, die bei Lichtkuppeln u.ä. die Lasten in das Haupttragwerk leiten, zu verstehen.

INFOBRIEF: DIN EN 1090 im Kontext mit betrieblichen Einrichtungen

Zunächst einmal muss man feststellen, dass die DIN EN 1090-1 für das sogenannte „Inverkehrbringen“ von tragenden Bauprodukten aus Stahl und Aluminium zuständig ist.

Betriebliche Einrichtungen zählen zunächst einmal ganz allgemein nicht dazu. Hierbei muss man zunächst einmal die Herstellung von „innerbetrieblichen“ Treppen, Geländern, Balkonen, Podesten und sogar ggf. Regalen ausklammern, wenn diese für Mitarbeiter und Besucher allgemein zugänglich sind und genutzt werden. Zudem kann entscheidend sein, wenn derartige Bauprodukte Kräfte in die tragende Hallenkonstruktion einleiten. In diesen Fällen gilt die DIN EN 1090 auch.

Darüber hinaus werden aber auch eine ganze Reihe von Arbeits- und Handhabungsmitteln hergestellt, die nicht in den vorstehend erwähnten Bereich gehören. Hier gilt die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), welche der Umsetzung der europäischen Arbeitsmittelrichtlinie 89/655/EWG, später ersetzt durch 2009/104/EG dient.

Ganz allgemein werden dort Arbeitsmittel als Werkzeuge, Geräte, Maschinen und Anlagen definiert, welche der Arbeitgeber nur bereitstellen darf, wenn diese den Rechtsvorschriften der europäischen Union entsprechen.

Hierbei spielen die druckführenden Leitungen und Behälter (Druckgeräte- Richtlinie) eine ebenso wichtige Rolle, wie Einrichtungen zum Lagern und Umfüllen wassergefährdender Stoffe. Auch die täglichen persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) wie Arbeitsschuhe, Handschuhe, Gehörschutz, Atemmasken, etc. haben ihre CE-Zeichen und entsprechen somit formal den europäischen Vorgaben.

Maschinenanbauteile, wie Hub- oder Handling Einrichtungen werden oft hinterfragt, da diese in der Regel als Sonderkonstruktionen durch metallverarbeitende Unternehmen hergestellt werden. Diese Arbeitsmittel fallen sowohl unter die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) als auch unter die Maschinenrichtlinie.

In der BetrSichV werden diese im Anhang 1, Abschnitt 2.5 als `Arbeitsmittel mit herabfallenden Gegenständen` und unter Abschnitt 3.2 als `Arbeitsmittel zum Heben von Lasten` behandelt. Hierzu wird eine Kennzeichnung der Bauteile mit Hersteller, techn. Daten und Gefahrenhinweisen sowie ein Nachweis der Standsicherheit/Festigkeit insbesondere am Aufhängepunkt und die Angabe auf die zulässige Tragfähigkeit verlangt. Der Hersteller hat außerdem dem Anwender eine Betriebsanweisung zur Verfügung zu stellen.

Die Maschinenrichtlinie 2016 wird hierzu unter Punkt 1.3.2 ebenfalls recht konkret und sagt, dass Maschinen und ihre Verbindungen untereinander bei Belastungen (insbesondere auf Ermüdung) standhalten müssen. Im Artikel 5 steht zudem, dass der Hersteller vor dem Inverkehrbringen oder der Inbetriebnahme sicherstellen muss, dass die geltenden grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen zu erfüllen sind.

Um den Bogen zurück zur EN 1090 zu schlagen, kann sicherlich festgehalten werden, dass der Hersteller von derartigen Betriebsmitteln zur Wahrung der Produktsicherheit bei geschweißten Bauteilen nicht umherkommt, den speziellen Prozess `Schweißen` im besonderen Maße abzusichern. Das Schweißen ist deshalb speziell, da es vielfach im Nachhinein nicht möglich ist, die Qualität einer Schweißverbindung zu prüfen, ohne dieses zu zerstören.

Darum muss ein Hersteller geeignete Maßnahmen ergreifen, die die Qualität der Schweißung vermuten lässt. Ist der Hersteller nach DIN EN 1090 für den Prozess Schweißen qualifiziert und deckt das Schweißzertifikat die Herstellbedingungen ab, so ist dies eine gute Voraussetzung, den Qualitätsnachweis zu erbringen. Hat ein Hersteller diesen Nachweis nicht, so empfiehlt sich die DIN EN ISO 3834 „Schweißtechnische Qualitätsanforderungen“ als gleichwertiger Nachweis für die Herstellung von Betriebsmitteln.

INFOBRIEF: (Bau-)Rechtliche Grundlage der Anwendung der DIN EN 1090

Baurecht ist Landesrecht! Jedes Bundesland in Deutschland erlässt seine eigene Bauordnung. Jedoch stößt dieses Recht auf Grenzen, wenn es um Europa geht.

Die Regeln, die Europa macht, müssen auch in Deutschland umgesetzt werden. Also erlässt das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) sogenannte Musterbauordnungen und Bauregellisten, die dann von den Bundesländern bzw. Bauministern der einzelnen Bundesländer in nationales Recht umgewandelt werden müssen.

Man muss sich also nicht mit allen 16 Bauordnungen beschäftigen, denn inzwischen sind die einzelnen Bauordnungen soweit gleich, dass man getrost auf die Musterbauordnung schauen kann.

Im §17 der Musterbauordnung heißt es:

(1) Bauprodukte dürfen für die Errichtung, Änderung und Instandhaltung baulicher Anlagen nur verwendet werden, wenn sie für den Verwendungszweck
von den nach Absatz 2 bekannt gemachten technischen Regeln nicht oder nicht wesentlich abweichen (geregelte Bauprodukte) oder nach Absatz 3 zulässig sind und wenn sie aufgrund des Übereinstimmungsnachweises nach

§22 das Übereinstimmungszeichen (Ü-Zeichen) tragen oder nach den Vorschriften a) des Bauproduktengesetzes (BauPG), b) zur Umsetzung der Richtlinie 89/106 EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte (Bauproduktenrichtlinie) vom 21. Dezember 1988 (ABl. EG Nr. L 40 S. 12), geändert durch Art. 4 der Richtlinie 93/68/EWG des Rates vom 22. Juli 1993 (ABl. EG Nr. L 220 S. 1), durch andere Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften und andere Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder c) zur Umsetzung sonstiger Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften, soweit diese die wesentlichen Anforderungen nach § 5 Abs. 1 BauPG berücksichtigen, in den Verkehr gebracht und gehandelt werden dürfen, insbesondere das Zeichen der Europäischen Gemeinschaften (CE-Kennzeichnung) tragen und dieses Zeichen die nach Absatz 7 Nr. 1 festgelegten Klassen- und Leistungsstufen ausweist oder die Leistung des Bauprodukts angibt.

Dass bedeutet, dass jedes Bauprodukt, welches dauerhaft in ein Bauwerk eingebracht wird, entweder ein Ü-Zeichen oder ein CE-Zeichen oder eine andere bauaufsichtliche Zulassung haben muss.

Welches Bauprodukt nun welches Zeichen tragen muss, regelt die Bauregelliste. Diese ist wiederrum in drei Teile untergliedert. Teil A sind geregelte Bauprodukte mit dem Ü-Zeichen, Teil B sind geregelte Bauprodukte mit dem CE-Zeichen und Teil C sind die nicht geregelten bzw. Bauprodukte mit Zulassung ohne Grundlage einer technischen Norm. Die aktuelle Ausgabe 2015/2, welche man sich kostenlos als Download bei DIBt runterladen kann, ist im Teil B unter 1.4.10.4 die neue Regel DIN EN 1090 veröffentlicht. Darüber hinaus gibt es auch eine Liste der in Europa harmonisierten Normen, wo die DIN EN 1090 mit dem Datum der Koexistenzperiode 01.07.2014 veröffentlicht wurde, die ebenfalls im Download-bereich des DIBt zu finden ist.

Ab dem 01.07.2013 gilt die Bauproduktenverordnung Nr. 305/2011 (EU-BauPVO). Sie wurde europäisch vereinbart, da die nationale Umsetzung der Bauproduktenrichtlinie anscheint nicht so richtig geklappt hat, das heißt, dass einige europäische Mitgliedsstaaten diese Richtlinie nicht oder nur sehr unzureichend umgesetzt haben. Die neue Bauproduktenverordnung ist direkt umzusetzen und darf nicht mehr national angepasst werden. Auch hierzu gibt es ein Gesetz zur Anpassung des Bauproduktengesetzes an die Bauproduktenverordnung vom 05.12.2012.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass damit nun auch Strafen für fälschliche Deklarierung geregelt sind. So muss ein Hersteller oder ein Inverkehrbringer, der falsche Angaben macht oder nicht über eine entsprechende Zertifizierung verfügt, mit Geldstrafen von 10 000 Euro bis zu 50 000 Euro und möglicherweise mit Haftstrafen bis zu 1 Jahr rechnen. Zur Überwachung der Einhaltung der Vorgaben wurden Marktüberwachungsstellen bei den obersten Bauaufsichtsbehörden eingerichtet.

Ebenfalls ist mit der europäischen Bauproduktenverordnung die Notwendigkeit der Akkreditierung und Notifizierung der Zertifizierungsstellen verbunden.

INFOBRIEF: DIN EN 1090 und die Ausnahmeregelung der EU-BauPVO

Im Artikel 5 der europäischen Verordnung 305/2011, auch als Bauproduktenverordnung (EU-BauPVO) bekannt, steht, welche Ausnahmen von der Pflicht zur Erstellung einer Leistungserklärung es gibt. Hierbei heißt es:

Abweichend von Artikel 4 Absatz 1 [Dort steht: Ist ein Bauprodukt von einer harmonisierten Norm erfasst…., so erstellt der Hersteller eine Leistungserklärung, wenn es in Verkehr gebracht wird.] und bei Fehlen von Bestimmungen auf Ebene der Union oder auf nationaler Ebene, die die Erklärung Wesentlicher Merkmale dort vorschreibt, wo die Produkte zur Verwendung bestimmt sind, kann ein Hersteller davon absehen, eine Leistungserklärung zu erstellen, wenn er ein von einer harmonisierten Norm erfasstes Produkt in Verkehr bringt und….[jetzt folgen drei Bedingungen].

Zunächst aber sollte man sich mit dem ersten grundlegenden Teil beschäftigen. Der Artikel 5 beginnt mit den Worten `Abweichend von´, was bedeutet, dass dies die Ausnahme von der Regel sein soll. Daran schließt sich das Wort `und´ an, was bedeutet, dass dies ein weiterer Punkt ist, welcher erfüllt sein muss, um die dann folgenden drei Bedingungen in Anspruch nehmen zu können.

Und genau an dieser Stelle kommt es zu einem unterschiedlichen Verständnis. Die baurechtliche Verankerung der DIN EN 1090 ist unstrittig. (siehe INFOBRIEF „DIN EN 1090 und die baurechtliche Relevanz). Darum gibt es den zweiten Punkt nicht und die weiteren Bedingungen sind unerheblich.

Trotzdem schauen wir uns die drei Bedingungen an:
a) das Bauprodukt individuell gefertigt wurde… auf einen besonderen Auftrag hin…in ein einzelnes Bauwerk….

(Diese Punkte sprechen alle für ein handwerklich erstelltes Produkt. Voraussetzung ist aber, das Fehlen von Bestimmungen auf Ebene der europäischen Union oder auf nationaler Ebene. Die Ausführung von Stahl- und Aluminiumtragwerken nach DIN EN 1090 findet ganz überwiegend bei der Einzel- oder Kleinserienfertigung Anwendung. Eine andere Interpretation würde dem europäischen Grundgedanken des freien Verkehres von Personen, Waren und Dienstleistungen entgegenstehen.)

b) das Bauprodukt auf der Baustelle…gefertigt wird.

(Hier wird das Produkt nicht in Verkehr gebracht, da es vollständig auf der Baustelle entsteht, wobei nationale Vorschriften berücksichtigt werden müssen. Für metallische Bauprodukte würde die teilweise Vorfertigung als Bausatz gelten und die DIN EN 1090-1 erfasst auch solche Bausätze. Zudem gibt es Forderungen zum Schweißen auf der Baustelle (Herstellerqualifikation oder Schweißzertifikat nach DIN EN 1090.

c) das Bauprodukt auf traditionelle Weise….kulturelles Erbe…

(Hier steht die Renovierung von historischen Bauwerken im Vordergrund aber auch die Pflege traditioneller Bauweisen)

Dahingegen wird der Artikel 38 der EU-BauPVO nicht ausreichend zur Kenntnis genommen. Im Artikel 38 geht es um `vereinfachte Verfahren´. Hier steht;

(1) Im Falle von Bauprodukten, die von einer harmonisierten Norm erfasst sind und die individuell gefertigt wurden……, kann der Hersteller ….durch eine Spezifische Technische Dokumentation  die Konformität des Produktes nachweisen.

Dieser Artikel erlaubt es dem Hersteller von individuell gefertigten Bauprodukten, den Aufwand (und Kosten) für eine Erstprüfung im Verfahren 2+ durch eine spezifische technische Dokumentation (z.B. mittel statischem Nachweis, Konstruktionszeichnungen und einer Vertrags- und Konstruktionsprüfung, zu reduzieren.